Für eine lebenswertere Stadt
Omnibus Magazin

Für eine lebenswertere Stadt

eCitaro für die Berliner Verkehrsbetriebe.

Deutschlands größter Verkehrsbetrieb stellt seinen Busbetrieb auf Elektromobilität um. Von Beginn an dabei sind ab diesem Frühjahr 15 Mercedes-Benz eCitaro.

Das Ziel ist vorgegeben: Laut Berliner Mobilitätsgesetz dürfen die Berliner Verkehrsbetriebe BVG ab dem Jahr 2030 ausschließlich klimaneutrale Omnibusse mit nichtfossilem Antrieb ersetzen. Das bedeutet: Dieselantrieb raus, E-Mobilität rein. „Das Ziel ist eine lebenswertere Stadt“, erläutert Torsten Mareck, Bereichsleiter Omnibus bei der BVG. Eine Herkulesaufgabe für Deutschlands größten Verkehrsbetrieb mit rund 1.400 Omnibussen. Zum Glück ist E-Mobilität für die Berliner dank U-Bahn und Straßenbahn nicht neu.

Herausforderung ist zunächst die pure Größe: In die Stadtgrenzen der Hauptstadt mit rund 200 Buslinien passen die Metropolen Hamburg, München und Frankfurt hinein. Hinzu kommen beinharte Einsätze: Die Omnibusse sind sieben Tage in der Woche rund um die Uhr im Einsatz. „Berlin ist ein anspruchsvolles Pflaster“, betont Mareck. Staus, Baustellen, Umleitungen und zugeparkte Spuren verlangen den Omnibussen alles ab. In der Innenstadt erreichen die BVG-Busse nur Durchschnittsgeschwindigkeiten von 11 bis 12 km/h. Trotzdem legen sie im Jahr mehr als 70.000 Kilometer zurück. Mareck: „Das alles frisst an der Substanz der Omnibusse. Wer hier überlebt, der schafft es überall.“

Torsten Mareck, Bereichsleiter Omnibus bei den Berliner Verkehrsbetrieben BVG.

Die Zukunft im Blick: Torsten Mareck, Bereichsleiter Omnibus bei den Berliner Verkehrsbetrieben BVG.

Emissionsfrei durch Berlin: Der erste von 15 vollelektrisch angetriebenen Mercedes-Benz eCitaro wird an die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ausgeliefert.

Emissionsfrei durch Berlin: Der erste von 15 vollelektrisch angetriebenen Mercedes-Benz eCitaro wird an die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ausgeliefert.

Tagsüber fahren und nachts aufladen funktioniert in Berlin nicht, die E-Busse werden in einem rollierenden System eingesetzt. Da die Aufladung mehrere Stunden in Anspruch nimmt, wird die Flotte wachsen. Was heute drei Dieselbusse schaffen, übernehmen künftig vier E-Busse. Und die Betriebshöfe? „Bei Elektromobilität benötigt jeder Bus seine eigene Zapfsäule“, so Mareck. Dies kostet zusätzlich Platz. Daher steigt die Zahl der Betriebshöfe.

Die BVG startet mit dem Betriebshof Indira-Gandhi-Straße im Ostteil der Stadt. Er liegt nahe an einem Umspannwerk, das erleichtert die Stromversorgung. Zunächst genügt eine Leitung mit 10 kV. Die nächsten Schritte sind mehrere dieser Leitungen oder eine Versorgung mit 110 kV. Gefahren wird mit „grünem“ Strom. Die ersten Elektrobusse werden in drei Spuren abgestellt, ihre Stromversorgung erfolgt über Ladesäulen. Denkbar ist auch eine Carport-Lösung mit Versorgung der Busse per Kabel vom Dach. Mareck: „Wir fahren auf Sicht, fangen jetzt an, sammeln Erfahrungen.“ Die Auswahl der Linien richtet sich nach der Kapazität der Solobusse, ihrer Reichweite von 150 Kilometern und der Lage nahe dem Betriebshof. Die ersten fünf Linien führen in den besonders belasteten Innenstadtring, Mareck spricht von NOx-Hotspots.

Die Ausstattung der eCitaro entspricht exakt dem laufenden Großauftrag über bis zu 950 Mercedes-Benz Citaro mit abgasarmen Dieselmotoren. Parallel zu diesen forciert die BVG die Elektrobusse. Geplant sind mindestens 120 Solo- und 15 Gelenkbusse bis 2021. Schwerpunkt sind neben Preis und Folgekosten auch die Zuverlässigkeit und vor allem die Reichweite. Hier setzt die BVG unter anderem auf eine Steigerung durch künftige Batterietechnik, wie sie Mercedes-Benz angekündigt hat. Ebenso nehmen die Berliner angesichts von rund 1,2 Millionen Bus-Fahrgästen am Tag auch Gelenkbusse mit Elektroantrieb in den Blick. In der Werkstatt wird für die E-Busse eine eigene Spur eingerichtet. Die Wartung des eCitaro übernimmt die BVG nach Herstellervorgaben in Eigenregie, Reparaturen erfolgen über OMNIplus.

Klarer Fall: „Wir müssen den Elektroantrieb auf die Stabilität des Verbrennungsantriebs bringen, denn die Beförderung muss verlässlich und stabil zu jeder Zeit funktionieren.“ Mareck strebt für E-Busse sogar eine nochmals gesteigerte Verfügbarkeit und „das Haltbarkeitsszenario einer Straßenbahn“ an. Der frühere Abteilungsleiter der BVG-Straßenbahnen sprüht vor Ideen. Für bestimmte Einsätze hält der gelernte Starkstromelektriker eine Kombination von batterieelektrischem Antrieb mit Oberleitung für möglich. Oder Schnellladesysteme auf den Linien mit einer Leistung von 450 kW sowie einer mobilen Reinigung. Dann müssen die Omnibusse nicht mehr ins Depot und sind ebenfalls rund um die Uhr im Einsatz.

Viele Ideen, ein klares Ziel – und eine enorme Herausforderung. Omnibusse und Infrastruktur zusammen erfordern bis zum Jahr 2030 Investitionen von rund zwei Milliarden Euro, hat die BVG ausgerechnet. Alles für eine lebenswertere Stadt.