Minus 30 Grad Celsius am Polarkreis, plus 40 Grad in der Sierra Nevada, extremer Stadtverkehr in Istanbul und Izmir: Bis der neue eCitaro reif für den Serienstart war, musste er extreme Härtetests bestehen.

Omnibus Magazin
Eis und heiß
Mercedes-Benz eCitaro im Versuch.
Eis und heiß.
Mercedes-Benz eCitaro im Versuch.
Das Städtchen Rovaniemi in Finnland gilt als Heimat des Weihnachtsmanns. Und ist im Winter die zweite Heimat der Versuchsingenieure von Daimler Buses. Zwei Wintertests hat der eCitaro hier absolviert. Einmal ist er sogar auf eigener Achse in den hohen Norden gerollt, um dort fast minus 30 Grad Celsius zu ertragen.
Wintertests am Polarkreis führen zu wertvollen Erkenntnissen. Zum Beispiel, dass es trotz der eisigen Außentemperaturen Tage dauert, bis eine Batterie völlig ausgekühlt ist. Und dass ein Elektrobus mit Stern auch dann noch problemlos startet. Nur mit dem Laden im Freien wird es bei eisigen Temperaturen schwierig. Da ergeht es dem Elektrobus wie einem Sportler, der mit kalten Muskeln Höchstleistungen vollbringen soll. Fahren im Winter dagegen bereitet Vergnügen. Andreas Dingler, Leiter Versuch Daimler Buses: „Der eCitaro hat dank der einzeln ansteuerbaren Elektromotoren an den Radnaben ein hervorragendes Anfahrvermögen bei Eis und Schnee.“ Auch Feinheiten haben die Versuchsingenieure herausgefunden, etwa zur Vorkonditionierung und sogar Überkonditionierung zum Start, mit der sich die Reichweite optimieren lässt. Solche Erkenntnisse lassen sich nicht in der Kältekammer gewinnen, dafür muss man ins ewige Eis zum Polarkreis.
„Der eCitaro bekam wegen seines Antriebs keine Schonung. Die Tests sind auf dem gleichen Level wie beim Citaro mit Dieselmotor.“
Oder in den heißen Sommer Spaniens. Das Ziel heißt Granada, hier wandert das Thermometer Richtung 40 Grad Celsius. Wer dann den Innenraum belädt und zusätzlich mit Raumheizern und Luftbefeuchtern ein Klima wie im vollbesetzten Stadtbus erzeugt, stellt einen E-Bus vor höchste Anforderungen. Erst recht bei hartem Stadtverkehr mit sperrangelweit geöffneten Türen an den Haltestellen. Als wenn das nicht genug wäre, haben die Versuchsingenieure den eCitaro gleich nebenan die Passstraße auf den Pico del Veleta in der Sierra Nevada hinaufgescheucht. Knapp 35 Kilometer geht es permanent bergauf bis auf 2.550 Meter Höhe. Unter Radsportlern gilt die Strecke als eine Königin der Bergstraßen. Ebenso unter Testern: Bergauf lässt sich unter permanenter Volllast die Kühlung prüfen. Bergab dann die Verzögerung, einschließlich des Bremswiderstands der elektrischen Bremse.
2.800 Kilometer östlich in Istanbul stand ein weiterer Dauerlauf an. Ein eCitaro reiste bereits mit 35.000 Kilometern Erfahrung aus dem Mannheimer Stadtverkehr an, um sich dann für weitere 60.000 Kilometer in den Trubel der Metropole am Bosporus zu stürzen. Rund um die Uhr, unterbrochen nur von den Ladezeiten. Weiter ging’s in die Millionenstadt Izmir an der Mittelmeerküste: 400 Meter Höhenunterschied, teils mehr als 70 Prozent Luftfeuchtigkeit, hitzige Temperaturen. Wieder 60.000 Kilometer. „Es geht permanent bergauf und bergab, immer abwechselnd Batterie voll, Batterie leer, das ist purer Stress“, erläutert Andreas Dingler.
Ob Winter- oder Sommertest, es müssen jeweils zwei dieser Testperioden sein. Dingler erklärt: „Beim ersten Mal gewinnen wir Erkenntnisse, entwickeln dann das Konzept weiter und überprüfen beim zweiten Mal das Ergebnis.“ Deshalb reift ein eCitaro etwas länger als andere Busse – aber das Resultat spricht für sich. Allein die Schlechtwegeerprobung auf der konzerneigenen Teststrecke in Wörth bei Karlsruhe lässt bei den Versuchsingenieuren endgültig eine gewisse Gnadenlosigkeit vermuten. Wenige tausend Kilometer dort entsprechen einem kompletten Fahrzeugleben. Eine Zerreißprobe im Zeitraffer.
Schließlich fuhren der eCitaro und ein Citaro mit Dieselmotor sogar auf eine Rennstrecke zum Beschleunigungsduell. Es ging nicht etwa um die schnellste Zeit, sondern darum, das Anfahrdrehmoment des temperamentvollen eCitaro auf das Niveau des Dieselantriebs abzusenken – die Fahrgäste werden es danken.
Insgesamt haben die Versuchsingenieure von Daimler Buses ein Dutzend eCitaro in die Mangel genommen. Hinzu kamen zahlreiche Einzeltests von Komponenten. Deshalb betont Andreas Dingler nochmals: „Wir haben den eCitaro nach genauso strengen Kriterien getestet wie den Citaro mit Verbrennungsmotor. Er hat Citaro Niveau.“ Und damit freie Fahrt für die Serienfertigung und den Einsatz in den Verkehrsbetrieben. Überall zwischen Rovaniemi am Polarkreis und Granada in Spanien.